Die Tiny House-Bewegung kam aus den USA nach Deutschland: winzige Häuser zu bauen und so auf einer sehr begrenzten Quadratmeterzahl ein komplettes Haus zu haben. Die Bewegung wurde vor allem in der Mittelschicht gut aufgenommen, der es um sogenanntes Downsizing (Verkleinerung) und um bewussteres und nachhaltigeres Wohnen geht. An einigen Stellen in Deutschland wird diskutiert, ob Tiny Houses eine Lösung für Wohnungslose sein können. Hierzu hielt Paul Neupert, der bei der BAG-W als Referent arbeitet und seine Masterarbeit über Tiny Houses geschrieben hat, einen kritischen Vortrag.

In Seattle (USA) sind Tiny House-Siedlungen seit 2015 die Kernstrategie, um Wohnungslose unterzubringen. Allerdings scheinen nur 22% der dort wohnenden Menschen zurück auf den regulären Wohnungsmarkt zu kommen, zum Teil gibt es vor Ort keine Sozialarbeit oder Strom und Licht. In Deutschland stößt man schnell auf baurechtliche Schwierigkeiten, da Wohngebäude von der Baubehörde genehmigt werden müssen. Voraussetzung dazu ist z.B., dass der Standort an Wege und Wasser angeschlossen ist. Auf Campingplätzen und in Kleingartenanlagen darf offiziell nicht gewohnt werden; Dauerbewohner werden zwar geduldet, genießen jedoch keine Rechtssicherheit.

Diese fehlende Rechtssicherheit ist einer der Kritikpunkte an dem Konzept: Menschen, die in Tiny Houses wohnen, sind mietrechtlich nicht abgesichert, zudem werden baurechtliche Standards gesenkt, so dass weniger Schutz gegen Umwelteinflüsse wie Sturm besteht. Dazu kommt, dass der bisher errkämpfte Wohnstandard unterwandert wird. Die Lösung ist zwar temporär, wird aber meist doch zu einem Dauerzustand.

Für Familien sind Tiny Houses auf Grund der Größe keine Option. Die für Wohnungslose angedachten Tiny Houses sind noch einmal deutlich kleiner als sonst üblich. Entsprechende Siedlungen führen zu Ausgrenzung, Isolation, Ghettoisierung und Diskriminierung, dies trifft vor allem auch Kinder. Flächen werden durch viele Tiny Houses zersiedelt und haben dadurch auch längere Distanzen und mehr Verkehr zur Folge – nachhaltig wären sie so auch nicht mehr. In Innenstädten mit besonders großer Wohnungsnot sind Tiny Houses nicht möglich.

Schlechte Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen die Prekarität dieser Wohnform. Eine Struktur wie beispielsweise in den USA wäre schon deshalb nicht möglich, weil in Deutschland andere Grundvoraussetzungen (z.B. Recht auf ordnungsrechtliche Unterbringung, stärkere Mieterrechte und sozialer Wohnungsbau) bestehen.

In der Diskussion ging es vor allem darum, ob eine solche Lösung für Deutschland wünschenswert wäre. Die Meinungen dazu gingen auseinander: Einige zogen eine Parallele zur Tafelbewegung, die auch zunächst als Übergangslösung entstand, mittlerweile aber fest im System integriert ist. Andere wiederum sahen in Tiny Houses eine Chance. Zum Abschluss wurde noch einmal deutlich gemacht, dass die Entscheidung, in einem solchen Haus zu leben, den Menschen selbst überlassen werden muss.

Text: Nina Freymuth

 

 

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