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Dieser Workshop mit Textarbeit fand am Mittwoch, 25. Juli 2018, auf dem Wohnungslosentreffen Freistatt 2018 ab 11:00 Uhr statt. Hier folgt das Protokoll zum Workshop:

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Protokoll von Harald Januschke
Wohnungslosentreffen 2018 in Freistatt
24. Juli 2018 in Gute Stube von Haus Wegwende in Freistatt.
Beginn 11 Uhr
Präsentation durch Matthias Albrecht  - Haus Lazarus / Lobetal
Moderation: Matthias Albrecht / Brandenburg
Anwesende: 20 Teilnehmer

"Ohne Obdach - Leben auf der Straße"

Zum Auftakt des 4. Tages, direkt nach dem traditionellen Plenum, fanden sich Interessierte zu einer Lesung von Matthias Albrecht aus Brandenburg ein. Der evangelische Theologe und Seelsorger des Hauses Lazarus in Berlin sorgte 2016 als Buchautor für Aufmerksamkeit. In dem Buch "Ohne Obdach - Leben auf der Straße" beschreibt seine Erkenntnisse und Erfahrungen, die er freiwillig als Wohnungsloser gemacht hatte.

Vor Beginn der Lesung erklärte der Pastor, dass er sich für diesen Schritt für seine zukünftige Tätigkeit in der Fürsorge entschieden hatte, und dieses Selbstexperiment als Praktikum nutzte. Des weiteren erwähnte Albrecht, dass es zwar um seine Erfahrungen ginge, aber nichtum ihn selbst. Aus diesem Grund wählte der Autor auch den Namen Matthias Unterwegs als Pseudonym. Seinen Versuch testete er zunächst 4 Wochen in Frankreich, danach 4 weitere Wochen in Deutschland.

Danach lass er aus einigen Kapiteln seines Buches, und einige Zuhörer fanden sich schnell in die Geschichte ein, weil sie viele der Geschichten am eigenen Leib zu spüren bekamen, und teilweise noch zu spüren bekommen. Sei es von den Schwierigkeiten, sich bei Kälte einen warmen Platz zu suchen, oder das Erlernen des Bettelns, um sich von diesem Geld ein Busticket leisten zu können, um damit in einen Ort zu gelangen, um an eine ausreichend warme Schlafstelle zu gelangen. Albrecht berichtet auch über die Kränkung darüber, über das Musizieren mit der Mundharmonika etwas Geld zu erhalten, dass Menschen einfach an ihm vorbeilaufen ohne ihn zu beachten. Er führt weiter aus, das die Passanten mitunter kein Geld spendeten, sei weniger erniedrigend als die Gleichgültigkeit einiger.

Diese Erfahrungen aus Alby, einer kleinen Stadt in der Nähe von Toulouse, erweiterte er dann mit Erkenntnissen hierzulande u.a. in Bayreuth. Albrecht war erschrocken darüber, wie die Wagner-Stadt ihr Image rettet, und dafür sorgt, das Menschen am Rande der Gesellschaft auch genau dort bleiben, um sie nicht am Stadtleben teilnehmen zu lassen. So gleicht die Einrichtung, die sich ebenfalls weit entfernt vom Stadtkern befindet, einem Gefängnis, da man, selbst wenn man es  möchte, den Schlafplatz erst am nächsten Tag wieder verlassen kann, da diese über Nacht verschlossen bleibt. Die Touristen und Musikfreunde der schönen Künste bekommen so auf diese Weise nicht mit, das es auch in Bayreuth Einwohner geht, denen es nicht ganz so gut geht.

Im Anschluß an diese Lesung ging es weiter mit einem Gespräch zwischen dem Autoren und den Zuhörern. Dabei erzählten die Anwesenden, inwieweit sie die Erfahrungen selbst schon mitgemacht haben. Unter dem Strich bliebe die Frage, warum nicht mehr Bürgerliche den Versuch eines Selbsttests wagen. Nicht weil wir es ihnen gönnen, sondern, weil es das Verständnis für die Probleme, die die Armut mit sich bringt, erhöht. Dadurch werden sicherlich einige Klischees neu überdacht, und es erhöht die Chance, das die Schere zwischen Arm und Reich kleiner wird. Zumindest die moralische.

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(Text: Hari Januschke)