Selbstvertretung wohnungsloser Menschen / Wohnungslosentreffen
Dr. Stefan Schneider, Koordination
c/o Stiftung Bethel am Standort Freistatt
Alte Bäckerei - Deckertstr. 6
D - 27259 Freistatt

Freistatt, 31.07.2018

Schriftliche Stellungnahme

anlässlich der parlamentarischen Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drucksache 18/845;
dazu: Änderungsvorschlag der Fraktion der FDP.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf dem Wohnungslosentreffen 2018 in Freistatt wurde der vorgelegte Antrag sowie der Änderungsantrag in mehreren Sitzungen gesichtet und besprochen.

Als Ergebnis unserer Beratungen möchten wir festhalten:

1. Grundsatz

Wir finden es positiv, dass sich der Landtag in Niedersachsen mit dem Thema wohnungslose Menschen befasst.

2. Änderungsantrag

Der Änderungsantrag, der das Thema Housing First zusätzlich einbringt, wird von uns kritisch gesehen, aus folgenden Gründen:

Housing First Projekte sind nur dann sinnvoll, wenn tatsächlich auch bezahlbare Wohnungen in hinreichendem Umfang vorhanden sind. Dies ist aber gegenwärtig nicht der Fall.

Es braucht also in erster Linie Programme für die Schaffung von konkreten Wohnungen und sozialem Wohnungsbau. In Deutschland und in Niedersachsen sind deutlich zu wenig bezahlbare Wohnungen vorhanden, das ist die Hauptursache für Wohnungslosigkeit, die es abzustellen gilt.

Das Land Niedersachsen sollte auf die Kommunen des Landes Niedersachsen einwirken, damit die Unterbringung nach dem Sicherungs- und Ordnungsgesetz (SOG) nicht in Massenunterkünften und Schlichtwohnungen organisiert wird, sondern dass statt dessen bezahlbare Wohnungen geschaffen werden.

Das Verwahren von wohnungslosen Menschen in Massenunterkünften und Notunterkünften löst das Problem der Obdachlosigkeit nicht, sondern verschärft und verfestigt soziale Probleme und Ausgrenzung.

Diese Einrichtungen gehören aufgelöst und abgeschafft.

3. Einzelpunkte

Zu den einzelnen Punkten des Antrags möchten wir wie folgt Stellung nehmen:

1. Niederschwellige Angebote als Hilfe zur Arbeit

Es ist positiv, dass für wohnungslose Menschen ein niederschwelliges und vor allem sanktionsfreies Angebot zur Integration eingeführt werden soll. Es ist wichtig, dass Menschen nicht bestraft werden, wenn sie in einer Maßnahme überfordert sind oder damit nicht zurecht kommen. Bei der Ausarbeitung der Angebote sollten wohnungslose Menschen einbezogen werden.

2. Besondere Bedarfe wohnungsloser Frauen

Es ist positiv, dass besondere Bedarfe wohnungsloser Frauen berücksichtigt werden sollen. Neben den besonderen Bedarfen wohnungsloser Frauen sehen wir Bedarfe bei Familien, alleinerziehenden Familien, Umgangsberechtigten und Jugendlichen. Bei der Ausarbeitung der Angebote sollten wohnungslose Menschen einbezogen werden.

3. Leistungsvereinbarungen nach §17 SGB II für spezifische Maßnahmen für die Gruppe der Wohnungslosen

Es ist positiv, dass damit passende und sicher finanzierte Gestaltungsmöglichkeiten der Wohnungslosenhilfe für wohnungslose Menschen geschaffen werden können. Bei der Ausarbeitung der Maßnahme sollten wohnungslose Menschen einbezogen werden.

4. Innovative Projekte

Es ist positiv, dass innovative Projekte gegen Wohnungslosigkeit gefördert werden sollen. Bei den geplanten Hygiene-Centern und Krankenwohnungen muss gewährleistet sein, dass auch Menschen, die aktuell über keine Gesundheitskarte verfügen, dennoch ungehindert Zugang zu diesen Einrichtungen haben und der Krankenschutz geklärt wird.

5. Weiterentwicklung präventiver Angebote

Wir möchten darauf hinweisen, dass Angebote, die helfen können, Wohnungslosigkeit zu vermeiden, extrem wichtig sind. Wir haben den Eindruck, dass erheblich mehr getan werden muss, um Wohnungsverlust zu verhindern.

6. Wohnungslose Menschen in der EU

Es ist positiv, dass sich das Land Niedersachsen für die Garantie ausreichender Mindestsicherung in EU- Herkunftsländern einsetzen soll. Darüber hinaus muss sich das Land Niedersachsen aber auch für den Zugang zu Sozialleistungen für alle EU-Bürger in Deutschland stark machen, etwa in Form einer Initiative im Bundesrat.

Der Ausschluss von Leistungen etwa nach § 67 SGB XII sowie der SGB II – Leistungen führt zu menschenunwürdigen Lebensbedingungen und ist unvereinbar mit den Menschenrechten sowie unserer Vision eines sozial gerechten Europas.

Die Soziale Säule European Pillar for Social Rights ist lediglich eine Empfehlung, aber kein bindendes Gesetz.

4. Verständlichkeit/ Beteiligung/ weitere Bedarfe

Verständlichkeit: Rückmelden möchten wir aber auch: Der Antrag ist ohne Erläuterungen oft nur schwer zu verstehen, da sehr viele Fachbegriffe benutzt werden.

Beteiligung: Bei der Planung und Umsetzung der oben genannten einzelnen Maßnahmen sollten unserer Auffassung nach auch Menschen mit einbezogen werden, die aktuell oder ehemals wohnungslos sind oder die in der Selbstvertretung wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen aktiv sind.

Weitere Bedarfe: Darüber hinaus sehen wir noch eine Reihe weiterer Punkte, die dringend umgesetzt werden sollten. Diese haben wir in unserem Fünf-Punkte Programm der Selbstvertretung Wohnungsloser vom 26.07.2018 festgehalten, das wir Ihnen als Anlage überreichen.

Der Antrag wird insgesamt von der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen sehr positiv bewertet.

Mit freundlichen Grüßen

Selbstvertretung wohnungsloser Menschen

im Auftrag:
Dr. Stefan Schneider, Koordinator

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