Wohnungslosentreffen 2018 in Freistatt geht ins dritte Jahr

2018.05.23pressegespraech foto gerhard zamzowAller guten Dinge sind drei. Vom 22. - 29. Juli 2018 findet das dritte bundesweite Wohnungslosentreffen in Freistatt (Bethel im Norden) statt. Zwar hat es in der Vergangenheit schon einige Versuche gegeben, wohnungslose Menschen zusammen zu bringen, aber diese Initiative, zu der sich unterschiedlich Betroffene zusammen gefunden haben und die von der „Aktion Mensch“ finanziell unterstützt wird, hat sich bisher als nachhaltig erwiesen.

So stellte die Organisationsgruppe in diesen Tagen das diesjährige Programm im Haus „Wegwende“ in Freistatt an einem historisch Ort vor, denn dieses Haus war 1927 als Erziehungsheim für renitente männliche Jugendliche eröffnet worden. (Der Film „Freistatt“ beleuchtet diese negative Seite der Heimerziehung anschaulich.)

Unter dem Slogan „Dran bleiben, dazu kommen, weiter machen, ausbauen!“ hat das Organisationsteam ein vielfältiges Programm für dieses Jahrestreffen zusammengestellt. Dr Stefan Schneider, der Koordinator dieses Projektes, konnte unterschiedlich Betroffene zu der Vorstellung des Programms begrüßen: Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk, der seit vielen Jahren auf der Straße lebt, Uwe Eger aus Lüneburg und Ilse Kramer aus Köln sowie der Leiter der Wohnungslosenhilfe in Freistatt, Frank Kruse, die jeweils Projekt und Programm des Wohnungslosencamps aus ihrer Sicht kommentierten.

Jürgen Schneider kritisierte in seinem Statement, daß noch viel zu häufig die Vertreter der „sozialen Arbeit“ darüber entschieden, was für Wohnungslose gut sei. Dem wirke das Camp mit seinem Ansatz, die Interessen der Betroffenen klar zu formulieren, entgegen.

Uwe Eger, der seit dem ersten Wohnungslosentreffen 2016 in Freistatt dabei ist, bereist gegenwärtig Wohnungsloseneinrichtungen in der ganzen Bundesrepublik, um Betroffene direkt anzusprechen und persönlich über das Wohnungslosentreffen zu informieren. Er berichtete, daß es oft schwer sei, Menschen zu erreichen, die mit ihrem Kampf ums Überleben auf der Straße, ihren Problemen und oft auch ihren Süchten mehr als überfordert sind. - Immer dabei ist sein Hund.

Ilse Kramer, die im letzten Jahr an der Gründung einer Frauengruppe beteiligt war und in Köln in der Initiative „Bauen, Wohnen Arbeiten e.V.“ mitarbeitet, stellte kurz das selbstverwaltete Projekt in Köln-Ossendorf vor und berichtete von den Aktivitäten der Frauengruppe, die seit 2017 die Öffentlichkeit über die besondere Situation wohnungsloser Frauen aufzuklären versucht. Bei einigen Stadtverwaltungen und sozialen Trägern habe man erreicht, daß der 21. Dezember als „Tag der wohnungslosen Frauen“ bekannter werde. Die Gruppe der wohnungslosen Frauen habe in den letzten Jahren stark zugenommen und nicht immer gäbe es geeignete Hilfsangebote für diese Gruppe.

Frank Kruse, Leiter der Wohnungslosenhilfe von Bethel im Norden, der sich seit Jahren zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen für das Gelingen des Wohnungslosentreffens engagiert hat, gab einen kurzen Rückblick auf frühere Versuche, Obdachlose in Treffen zusammen zu bringen, und kündigte an, dass das Treffen 2019 in Herzogsägmühle, einer diakonischen Einrichtung in Oberbayern, stattfinden werde, wenn der Förderantrag für dieses Treffen genehmigt werde. Frank Kruse machte deutlich, daß es nur wenige Einrichtungen gäbe, die den großen logistischen Aufwand eines solchen Treffens bewältigen könne. Ein großes Team an Helfern trage jedes Jahr dazu bei, daß die Voraussetzungen in Freistatt geschaffen werden. Die Kapazität in dem geschmackvoll gestalteten Umfeld des Hauses „Wegwende“ in Freistatt liege bei etwa 120 Teilnehmer_innen.

Dr. Stefan Schneider (Berlin), der seit drei Jahren das Wohnungslosentreffen koordiniert, erläuterte mit Blick auf das umfangreiche Programm, daß in diesem Jahr bereits Mitarbeiter aus Bayern in die Programmangebote und in die Organisation eingebunden werden. Er machte auch klar, in wie weit man aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre gelernt habe und genügend Möglichkeiten der Rückkopplung zwischen den Beteiligten und den Organisatoren eingebaut habe. Denn im letzten Jahr hatte es am dritten Tag des Camps so etwas wie einen kleinen Aufstand gegeben, weil einige Teilnehmer mit dem Fortgang der inhaltlichen Arbeit nicht einverstanden waren. Man wolle keinen bevormunden, aber trotzdem zu einer Verstetigung der Arbeit kommen, um die komplexe Problematik der Wohnungslosigkeit („Obdachlose haben keine Lobby“) in die Öffentlichkeit tragen.

Dazu möchte auch Richard Brox (Mannheim) beitragen. Leider hatte er es zum Vorstellungstermin des neuen Programms nicht bis Freistatt geschafft (was eigentlich geplant war). In den Medien wird er gelegentlich als der prominentester Obdachlose der Republik bezeichnet, denn sein Buch „Kein Dach über dem Leben“ ist seit letztem Dezember zu einem Bestseller geworden. Er ist auch durch seine Zusammenarbeit mit Günter Wallraff in den Medien bekannt. Während des Camps wird er über seine Erfahrungen als „Prominenter“ in der Mediengesellschaft berichten.

Daß es nicht einfach ist, Betroffene zu motivieren, über ihre Lebenswelt zu sprechen und zu gemeinsamen Handeln zu kommen, wurde in fast allen Beiträgen deutlich. Trotzdem ist mit dem Wohnungslosencamp dank der Unterstützung durch die „Aktion Mensch“ im Zusammenwirken von Betroffenen und der Unterstützung der Diakonie in Freistatt eine Institution entstanden, die schon jetzt weit über den lokalen Rahmen hinaus wirkt.

Gerhard Zamzow

Abbildung: Im „Sinnesgarten“ in Freistatt das Vorbereitungsteam des Wohnungslosencamp 2018: Dr. Stefan Schneider (Berlin), Ilse Kramer (Köln), Jürgen Schneider, Frank Kruse (Freistatt), Uwe Eger (Lüneburg). Foto: Gerhard Zamzow

weitere Berichte:

Freistätter Online Zeitung https://wohnungslos.info/2018/05/pressekonferenz-zum-wohnungslosentreffen/

Sulinger Kreiszeitung: https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/kirchdorf-ort120456/wohnungslosentreffen-2018-freistatt-gange-9900087.html

 

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