Am Freitagabend 11. 9., am Tag der Wohnungslosen, kam es zu einer Kundgebung, die um 19h vor dem Roten Rathaus begann, um ca. 20h auf den Alexanderplatz wechselte und gegen 21.15h endete. Während ein Jahr zuvor etwa 25 Zuschauende kamen und auch Medien vor Ort waren, waren es diesmal an die 50 BesucherInnen, dafür aber wenig Presse. Das Bündnis "Berlinder Obdachlosenhilfe" hatte aufgerufen, vor Ort waren dann sowohl 3-4 Mieterbündnisse als auch 5-6 Obdachlosenhilfen wie z.b. die "Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen", aber auch Gruppen aus Berlin und einige Schaulustige.

Es war ein Aufruf der "Berliner Obdachlosenhilfe": "Tausende Wohnungen stehen in unserer Stadt aus Spekulationsgründen leer. Gleichzeitig müssen Menschen auf der Straße schla-
fen. Das ist ein Skandal! Wir sagen: Wohnraum ist keine Ware! Wir fordern: Leerstand jetzt enteignen - Wohnungen für alle!" Am Nachmittag hatte es eine Kundgebung auf dem Richard-Wagner-Platz in Leipzig gegeben und am Vortag am Nachmittag auf dem Opernplatz in Hannover!

Viele Reden wurden gehalten, sowohl von Nicht-Betroffenen als auch von Betroffenen, die Reden kann man sich ansehen. Die Mischung aus organisierten, nicht-organisierten Betroffenen und anderweitig poltiisch aktiven ergab einen interessanten Austausch. Auf dem Alexanderplatz wurden die Bedürftigen noch mit kostenlosem Nudelgericht, Kaffee und Wasser versorgt.

https://www.youtube.com/channel/UCXmllD9z_V9duCz-2fEPi8w/videos

Da war die Aktivistin des "Leave-no-one-behind-no-where"-Bündnisses, die im Flücktlingsrat Berlin ist und die darauf hinwies: Es gibt derzeit ca. 40.000 Menschen in Sammelunterkünften mit/ohne Migrationshintergrund sowie einige tausend Obdachlose.
Michael vom "Armutsnetzwerk" und von der Selbstvertretung listete verschiedene Punkte auf. Wichtig war ihm der Hinweis, dass wegen der Pand. repressive Maßnahmen zunehmen würden: In München soll es wieder vermehrt geschehen, dass die Polizei Obdachlose über die Stadtgrenze hinaus fährt und aus Mittelstädten im Ruhrpott hört man, Obdachlosen würden Wegfahrt-Tickets geschenkt. Auch seien vermehrt jüngere Menschen betroffen. Falls es zu einem 2. Lockdown kommen sollte, fürchtete er, könnten die Angebote von Tagestreffs und Lebensmittelausgaben gefährdet sein, so dass Trinkwasserversorgung, Duschmöglichkeit und Lebensmittelversorgung gefährdet seien. In Berlin zahle die Stadt für manche Obdachlose Hostel-Zimmer mit bis zu 750,00 Euro im Monat - hier wäre die Frage, ob sich die Person dafür nicht eine eigene bescheidene Wohnung leisten könne, schließlich gäbe es in Hostels vielfach Gemeinschaftsküchen und -toiletten etc.
Eine Vertreterin des Bündnisses "Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn" wies auf die Problematik von Zwangsräumungen hin, auf § 28 der Berlinder Landesverfassung, die jedem Menschen ein Recht auf eine Unterkunft gewährt - doch dann würde es in der Praxis hinauslaufen, dass derzeit ca. 40.000 Personen in Wohnheimen und Obdachlosenunterkünften untergebracht seinen, davon knapp 47% länger als ein Jahr. Manche WOLLEN NICHT in solchen Unterkünften untergebracht werden. Dazu gebe es die "Sofa-Hopper", die immer wieder von Wohnung zu Wohnung ziehen. Auch "Housing First" wurde genannt.(Sofa-Hopper und Hostel-Zimmer nutzen auch Berliner Studierende und sogar solche, die einen Job gefunden haben, in Hostels habe ich schon Junglehrer getroffen, die mit Sondervergünstigungen dort vorübergehend wohnten.)

https://mietenwahnsinn.info/demo2020/

Ein Redner erzählte von der "Neuen Heimat Mitte", wo bis zu 85 Wohnungen leer stünden, weil die Investoren Renditen von mehr als 20% erhofften. Er wies auf einen SPIEGEL-Artikel hin, der die Information publiziert hatte, in Berlin gebe es einen Leerstand von ca. einer Million Quadratmeter.
Die Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen hatte gerade eine Tagung hinter sich und veröffentlichte ihre Erklärung. Sie wurde auf dem Alexanderplatz von Markus/Frankfurt laut vorgetragen:

"Für obdachlose/wohnungslose Menschen ist jeder Tag ein Tag der Wohnungslosigkeit. Am 11. September existiert in Deutschland seit Jahren der Tag der Wohnungslosen. Das Grundgesetz schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dieser Schutz ist Wohnungslosen/Obdachlosen verwehrt. Wenn dieser Schutz verloren geht ist auch die Würde verloren. Darauf wollen wir am Tag der Wohnungslosen/Obdachlosen hinweisen.

Wir fordern:

Schluss mit behelfsmäßigen Unterkünften
Schluss mit Zwangsgemeinschaften in den Massenunterkünften
Schaffung von grundgesetzlich geschützten Wohnungen für Alle
Gewährleistung der Hygiene und Abstandsregelungen.

Hinweise auf weiter Forderungen sind im 5 Punkteplan enthalten, die man auf der Homepage nachlesen kann."
Wer sind denn jene, die von den Investitionen und hohen Mieten profitieren, wer sind die Immobilienbesitzer (abgesehen von den Wohnungsgesellschaften)?

Die Soziologin Utta Seidenspinner hatte in ihrem Buch "Wohnwahnsinn: Warum Mieten immer teurer und Eigentum unbezahlbar wird" bereits recherchiert, wer aus Europa und Asien bzw. weltweit Immobilien in Berlin gekauft hat und kauft. Vielleicht sind es auch verschachtelte Strukturen, sodass Mieter gar nicht wissen, wer der wirkliche Besitzer ist. Der Tagesspiegel hatte dazu eine Recherche angeregt, die gewisse Einblicke in die weltweiten Hintergründe liefert:

https://interaktiv.tagesspiegel.de/wem-gehoert-berlin/

Als Beispiele dienen der buchladen "Kisch und Co" in der Oranienstraße oder die Kneipe "Syndicat", die vermutlich den Pears Brothers gehören.
Zu den bekannten Initiativen gehört KarlaPappel:

https://karlapappel.wordpress.com/

Der 94min Dokufilm von 2014 vom "Kollektiv Schwarzer Hahn" "Verdrängung hat viele Gesichter" ist auch empfehlenswert:
https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/verdraengung-hat-viele-gesichter#lg=1&slide=0

Der Dokufilm "Push - Für das Grundrecht auf Wohnen" zeigt die Problematik international:
https://www.youtube.com/watch?v=6KB8AVB8zLE

Dass der Berliner Obdachlosenhilfe bei der Essensausgabe am Alexanderplatz von warmen Nudeln, Quark und Salat mit Kaffee und Wasser nach kurzer Zeit das Besteck ausgegangen war, war da nur das geringste Problem.

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